Der Draft 2024 ist in den Büchern. Es war der erste vom neuen GM Dan Morgan. Wie ist die Strategie zu bewerten und wie können die neuen Spieler das Team unterstützen?

Xavier Legette, WR

Mit ihrem ersten Pick haben sich die Panthers Xavier Legette geholt. Der Wide Receiver galt mit seiner Physis und seinem Topspeed als eines der spannendsten Prospects im Draft. In seiner letzten Saison konnte er unglaubliche 1255 Yards und 7 Touchdowns auflegen. Dabei konnte er im Slot eingesetzt werden, war aber durch seine physischen Attribute meistens außen aufgestellt.

Legette ist allerdings auch kein Prospect ohne Risiko. Gerade als Route Runner ist er noch nicht ganz ausgereift. Besonders fällt der späte Durchbruch auf. Er spielte fünf Jahre im College und konnte lediglich im letzten gut auftrumpfen. Davor war er überhaupt kein Faktor im Passing Game.

Natürlich muss die Story dahinter betrachtet werden. Legette hatte mit Verletzungen zu kämpfen und verlor seine Eltern. Trotzdem muss man auch gestehen, dass Receiver mit so einem Profil mit dem späten Durchbruch in der NFL eigentlich keinen Erfolg haben. Im letzten Jahr ist ein Spieler meist kräftiger als seine Gegner. Dass er es zuvor nicht schaffte erfolgreich zu sein, sollte auf jeden Fall Unsicherheit bereiten.

Wie ist die Handlung des Front Office zu bewerten?

Die Panthers entschieden sich trotz dieses Wissens zu einem Uptrade. Man rückte im Draft von 141 auf 200 und konnte so in der ersten Runde Legette ziehen.

Zu dieser Zeit gab es auch auf dieser Position noch gute Alternativen. Mit dem Uptrade zeigte das Front Office eine Overconfidence in ihre Scouting-Fähigkeiten.

Es wurden in der Vergangenheit oft Analysen zu den Draft-Erfolgen der Teams gemacht. Je länger man die Spanne des betrachteten Zeitraums betrachtete, desto mehr kam zum Beispiel bei Pro Football Focus heraus, dass Teams nicht besser draften können als andere Teams. Wenn ein Team das aber denkt, dann ist dieser Prozess nicht unbedingt als gut zu bewerten.

Das zweite Problem ist das Gehalt. Legette bekommt nun deutlich mehr garantiertes Geld. Die Panthers erklärten ihren Uptrade auch mit der 5th-Year-Option. In der ersten Runde bekommen Teams das Recht ihren Spieler für eine vorgeschriebene Summe um das fünfte Jahr zu verlängern.

Hier ist aber ein Problem. Diese Summe ist seit dem neuen CBA zwischen der NFL und den Spielern extrem teuer geworden. Die Option ist damit fast wertlos. Dass die Panthers trotzdem den Move teilweise damit verteidigen, lässt sie tief in die Karten blicken. Dass sowas in einem Business wie dem Football in der NFL passieren kann, ist eher peinlich.

Besonders in der Kritik steht für mich dabei Brandon Tillis. Der Executive Vice President wurde auch als Spezialist in Sachen Cap geholt. In diesem Move wurde aber Draft Capital verschlechtert, um mehr Gehalt zu zahlen und teilweise eine Option zu ziehen, die eigentlich wertlos ist inzwischen.

Jonathan Brooks, RB

Der Running Back war der Nachfolger von Bijan Robinson. Nach unglaublich starken 1135 Yards brach er sich allerdings das Kreuzband und fiel aus. Bis dahin galt er als der beste Running Back der Klasse mit dem Potenzial für einen Firstroundpick. Nun wurde er zumindest in der Nähe gezogen.

Brooks ist vielleicht nicht der Power Back, doch mit seinem Speed, seiner Finesse und seiner Vision kann er echt auftrumpfen. Auch im Passing Game konnte er sich zeigen und brachte weitere 286 Yards auf das Board

An sich ein sehr spannender Spieler. Warum erfährt dieser Pick trotzdem so viel Kritik von außen? Das hat hauptsächlich zwei Gründe:

Positional Value:

Die Position gilt als wenig wertvoll. Schon seit Jahren werden immer wieder Analysen dazu gemacht. Pro Football Focus fand mit ihrer WAR-Statistik (Wins above Replacement) heraus, dass Position des Running Backs aus der Offense am wenigsten Mehrwert für ein Teams gibt und schnell ausgetauscht werden kann.

Auch ein Big Data Bowl von der NFL fand zu dieser Position statt. Dort wurde mittels Datenanalysen versucht herauszufinden, ob man die Yards eines Laufs vorhersagen kann. Für die meisten Runs reichten dabei nur die Informationen der Feldpositionen der Spieler aus sowie die Richtung des Ballträgers zum Zeitpunkt der Ballübergabe.

Auch schon zuvor gab es weitere Analysen von zum Beispiel Josh Hermsmeyer. Die Ergebnisse zeigten, dass es ausreicht zu gucken wieviel gegnerische Spieler sich in der Box aufhalten. Der Running Back an sich ist dabei nicht von großer Bedeutung.

Natürlich können Elite-Running Backs vielleicht noch etwas mehr herausholen, doch das hat zumindest auf dem Boden wenig Auswirkung gemessen auf den Gesamterfolg einer Saison. Der Einfluss eines einzelnen OLiners ist dagegen deutlich größer.

Wie sieht es aus mit Backs, die gut fangen können?

Gute Backs können eigentlich alle gut als Receiver eingesetzt werden. Hier liegt auch eine Stärke von Jonathan Brooks. Doch leider gibt es auch hier ein großes aber.

Das Receiving Game von Running Backs ist anders als das von Receivern. Christian McCaffrey zum Beispiel hatte eine durchschnittliche Targettiefe von 1,7 Yards. Das ist situationsbedingt auch echt wertvoll und kann zu First Downs führen.

Das Problem ist nur, dass man das auch einfacher ersetzen kann. Fällt ein Elite-RB aus, wird er nicht Eins-zu-Eins von seinem Backup ersetzt. Die Receiver und Tight Ends bekommen mehr Targets. In der Regel entstehen dann mehr explosive Plays. Die Offense kann so ihren Star relativ einfach ersetzen.

Bestes Beispiel sind die Panthers selbst. Als McCaffrey verletzungsbedingt ausfiel, wurde er von Mike Davis ohne Probleme ersetzt und die Offense wurde nicht schlechter. Davis war auch nicht unbedingt ein guter Back und hatte darauffolgend kaum mehr Erfolg in der NFL.

Surplus Value:

Neben dem Positional Value gibt es auch den Surplus Value. Hier wird der Vertrag betrachtet. Ein Rookie Vertrag ist im Gegensatz zu einem normalen Vertrag deutlich günstiger. Falls ein Pick einen Durchbruch hätte, würde ein Team dadurch ordentlich an Gehalt einsparen.

Bei der Position des Running Backs sind diese Einsparungen aber eher gering. Die Liga wertet Running Backs außerhalb ihres Rookie Vertrags nicht wirklich als wertvoll. So sind die Einsparungen durch den günstigen Rookie-Vertrag von allen Positionen wieder am geringsten.

Wie sind wieder die Panthers zu bewerten?

Gut zu bewerten ist der Downtrade vor diesem Pick mit den Rams. Dadurch erhielten die Panthers einen zusätzlichen Zweitrundenpick, den sie durch den Trade für Bryce Young eigentlich verloren hatten.

Kurz nach dem Downtrade gab es aber dann einen Uptrade. Carolina gab zwei Fünftrundenpicks ab, die laut Over the Cap einen Wert von einem Drittrundenpick haben.

Wieder so viel für jemanden auszugeben, der so wenig Positional- und Surplus Value gibt, muss auf jeden Fall kritisch betrachtet werden. Jonathan Brooks ist an sich ein toller Spieler, der verletzungsfrei wohl in der ersten Runde weggegangen wäre. Das Problem ist nur, dass man mit einem Top 50 Pick Alternativen gehabt hätte, die was Positional- und Surplus Value angeht deutlich vielversprechender gewesen wäre.

Trevin Wallace, LB

Nach einem Downtrade kamen die Panthers in der dritten Runde zu Trevin Wallace. Der Linebacker mit tollen athletischen Fähigkeiten aus Kentucky gilt noch als sehr roh, kann aber auch als starker Blitzer eingesetzt werden. Er hat großes Potenzial und könnte einer der Besten auf seiner Position irgendwann sein.

Das Problem bei ihm ist aktuell, dass er noch ein bisschen Zeit benötigt. Gerade seine Laufverteidigung ist noch ausbaufähig. Bei den Panthers muss er aber nicht sofort als Starter spielen und kann hinter Thompson und Jewell erstmal gut angelernt werden. Vielleicht kann er dann auch ziemlich schnell Akzente als Blitzer setzen.

Wie sind Reaches zu bewerten?

Auch wenn Wallace eine Menge an Potenzial mitbringt, ist er ein Reach. Als Reach gilt er, weil er früher gezogen wurde als es die Experten vorhergesagt haben.

Arif Hasan hat ein Durchschnittsboard von 101 Experten aufgestellt. Wallace landete dort auf Platz 115. Die Panthers zogen ihn aber an 72.

Timo Riske von Pro Football Focus analysierte genau das Phänomen eines solchen Reaches mit der PFF-WAR Metrik (Wins above Replacement). Er fand heraus, dass Reaches in der Regel nicht so gut abliefern, wie es die Teams hoffen.

Auch dieser Pick hat damit wieder ein bisschen Platz für Kritik. Das liegt gar nicht an Wallace, der ja an sich ein spannendes Projekt ist. Nach den ersten beiden Picks aber hier wieder so einen Move zu machen, wirft die Verantwortlichen nicht unbedingt in ein gutes Licht. Hier kann man hoffen, dass Wallace hier nicht der Regel entspricht und durchbrechen wird.

Ja’Tavion Sanders, TE

In der vierten Runde sicherten sich die Panthers die Dienste von Ja’Tavion Sanders. Wie Jonathan Brooks spielte auch er für Texas. Bekanntgegeben wurde der Pick vom International Fan des Jahres David. Dieser konnte vor Freude sein Lachen bei der Ansage kaum verbergen.

Sanders galt für einige Experten als zweitbester Tight End der Klasse. Wie die Draftpicks zuvor der Panthers ist er athletisch einer der besseren Spieler der Klasse. Im Receiving Game konnte er teilweise als guter Route Runner überzeugen und machte auch einige Plays bei tiefen Pässen.

Mit zwei Saisons über 600 Yards konnte er im College bereits überzeugen. Gerade auf einer Position, die bei den Panthers schwach besetzt war, könnte er gleich eine größere Rolle einnehmen. Als Blocker hat er allerdings noch ein bisschen Nachholbedarf.

Wie sind Steals zu bewerten?

Laut dem Board von Arif Hasan ist Sanders ein Steal des Drafts. Gelistet wurde er dort auf Platz 59. Die Panthers bekamen ihn allerdings an Pick 101.

Haben die Panthers nun also wieder Value zurückgewonnen? Die Antwort darauf ist eher ernüchternd.

Timo Riske machte auch Analysen zu Steals. Das traurige Ergebnis: Die Produktivität dieser Spieler ist in der Regel eher so gut wie die Draft Position und nicht so gut wie die Position der Expertenmeinungen. Die Teams haben in der Regel mehr Informationen, besonders wenn es um den Charakter oder um Verletzungen geht.

In diesem Fall sollte er nach dem Expertenboard auf Platz 59 gehen. Von Pick 60 bis 100 wurde sich allerdings 41 mal gegen Sanders entschieden. Wäre der Mehrwert so hoch, hätten andere Teams diesen Spieler bereits gezogen. Was den Fall bei Sanders verursacht hat, ist allerdings noch nicht bekannt.

Wie sind die Panthers bei diesem Pick nun zu bewerten?

Auch wenn Sanders ein Steal ist, sollten wir darauf also nicht zu viel geben. Trotzdem könnte er ein toller Fit in dieser Offense sein.

Gerade auf der Position des Tight Ends konnten Elite Spieler oft noch spät im Draft gefunden werden. Sanders bringt ein gutes athletisches Profil mit und war im College bereits produktiv. Es ist nicht verwunderlich, dass dieser Pick von einigen Experten als der beste Panthers Pick bezeichnet wurde.

Chau Smith-Wade, CB

In der fünften Runde zogen die Panthers mit Smith-Wade einen Slot-Cornerback von Washington State. Dieser Pick wurde in München verkündet von Chandler Zavala. Im Hintergrund war dabei ein freudiges Fest mit dem German Riot zu beobachten.

Smith-Wade hat sehr schnelle Füße und kann Receiver richtig gut spiegeln. Dabei war er trotz seines geringen Gewichts und der kleinen Körpergröße echt physisch unterwegs. Letztes Jahr beendete er die Saison auch ohne zugelassenen Touchdown.

Mit seinen Körpermaßen hat Smith Wade in der NFL wohl eine klare Rolle im Slot. Hier muss man beobachten, wie er sich noch gegen den Lauf weiterentwickeln wird, denn das war bisher nicht unbedingt seine Stärke.

Trotzdem haben die Panthers für einen Fünftrundenpick einen guten Spieler bekommen. Seine Rolle wird spannend zu beobachten sein. Auf der Slot-Position haben die Panthers eigentlich bereits Troy Hill. Es ist eher unwahrscheinlich, dass einer der beiden der zweite Cornerback neben Jaycee Horn wird.

Es ist eher davon auszugehen, dass Carolina auf der Position des Cornerbacks nochmal nachrüstet und Smith-Wade erstmal der Backup ist. Gerüchte zufolge soll Stephon Gilmore eine nicht ausgeschlossene Option hier sein.

Jaden Crumedy, DT

In der sechsten Runde kam es zum Pick von Jaden Crumedy. Der DT von Mississippi State ist vielseitig einsetzbar und agierte auch schon außen in der DLine. Bei einigen Plays konnte er mit seinen physischen, aber auch explosiven Fähigkeiten auf sich Aufmerksam machen.

Ihm fehlte allerdings noch die Konstanz. Für die sechste Runde ist er aber auch ein spannendes Projekt. Das Potenzial ist auf jedem Fall da und bei der derzeitigen DLine der Panthers sollte er durchaus eine Chance haben nicht nur den Kader zu schaffen, sondern auch einige Snaps mitzunehmen.

Michael Barrett, LB

In der siebten Runde drafteten die Panthers einen College Champion aus Michigan. Barrett hatte ein sehr gutes Gespür, besonders gegen den Pass.

Seine Stärke liegt aber auch im Blitzen. Hier konnte er den QB oft unter Druck setzen und einige Incompletions forcieren. Das Problem bei ihm ist dagegen seine Größe. Kleine Linebacker wie er haben es sehr schwer. Außer Nick Bolton von den Kansas City Chiefs sehen wir nur selten Spieler mit seinen Maßen erfolgreich werden.

Trotzdem darf man hier nicht vergessen, dass wir von einem Siebtrundenpick sprechen. Barrett bringt einen guten Floor mit und wäre wohl keine Katastrophe, sollten sich viele Starter verletzen. Über einige Backup-Rolle hinaus könnte es für ihn aber schwer werden.

Hier sollte aber mit Kritik gegenüber der Panthers zurückgehalten werden. Eine gewisse Sicherheit in der siebten Runde zu ziehen, ist sicherlich kein schlechter Move.

Wie fällt das Gesamtfazit des neuen Regimes aus?

Die Panthers haben eine neue Ära eingeleitet. Neuer GM, neuer HC und ein neuer Executive Vice President. Im ersten Draft dieser Ära wurden allerdings einige merkwürdige Moves gemacht.

Gerade der Umgang mit den Ressourcen bei den vielen Needs der Panthers scheint nicht wirklich sinnig. Gerade wenn man die Panthers mit den guten Teams vergleicht, sieht man hier einige Unterschiede.

Trotz des nicht unbedingt gelungenen Handelns, sollten die gezogenen Spieler nicht vorverurteilt werden. Betrachtet man Draft-Grades von Experten, haben diese auf die Zukunft recht wenig wert. Teams mit schlechten Draft-Grades haben am Ende trotzdem schon gute Spieler aus dieser Klasse hervorgebracht.

Das hat damit zu tun, dass es im Draft hauptsächlich darum geht gute Spieler ins richtige Scheme zu bringen. Teams tun sich dabei sehr schwer. Findet eine Franchise drei solche Spieler, kann der Draft schon als Gewinn gezählt werden. Da die Hit-Rate des Draft so gering ist, sind neu gefundene Starter  sehr wertvoll. Da sind Bewertungskriterien wie z.B. Positional- oder Surplus-Value erstmal unwichtig.

Worin besteht aber das Problem?

Kritisch wird es erst, wenn Teams dauerhaft schlechte Moves machen. Im Draft wird es dann meist problematisch, wenn Spieler ihren Rookie-Vertag absolviert haben und nun bezahlt werden müssen. Franchsies mit schlechtem Management brechen dann auseinander und können den Erfolg nicht aufrecht erhalten.

Zudem führen auch schlechte Entscheidungen nicht immer zu schlechten Ergebnissen. Bestes Beispiel dafür ist der erste Pick aus der Matt Rhule Ära.

Rhule zog mit dem ersten Pick DT Derrick Brown. In den Top 10 für einen Tackle ohne besondere Pass-Rush Fähigkeiten zu investieren, war aus Aspekten des Positional Values nicht gut. Die Geschichte rund um Brown wurde aber zur Erfolgsstory bei den Panthers.

Das Regime um Rhule machte aber weiter mit schwachen Entscheidungen. Irgendwann war dann das Team so schlecht, dass selbst der Draft mit Brown und Chinn keinen Einfluss mehr hatte.

Wie sollte also das neue Regime bewertet werden?

Zweifel an das neue Regime sind damit sicherlich angebracht. Besonders der Umgang mit dem Cap und den vorhandenen Ressourcen ist nicht gut gelungen.

Trotzdem hab ich immer noch Hoffnung. Diese sind nicht nur wegen eines Draft zunichte gemacht. Sollten Legette, Sanders, Wallace und Brooks durchstarten und zu wichtigen Startern werden, wird diese Klasse ein wichtiger Baustein des Neuaufbaus.

Des Weiteren bleibt zu hoffen, dass sich die Verantwortlichen noch weiterentwickeln. Wir haben bisher nur einen Draft gesehen. Dass wir rund um unseren GM Dan Morgan nur Pfeifen haben, das glaube ich nach einer Offseason noch nicht. Die Skepsis ist zwar leider größer geworden, aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.