O-Liner gegen Wide Receiver: Wer hat die größere Wertigkeit für den Draft?
Der Draft 2021 rückt immer näher. Die Gerüchteküche brodelt und in den Foren werden sich immer mehr Gedanken gemacht. Größtes Thema dabei ist oftmals der erste Pick eines Teams. Bei den Panthers ist dieses Thema umso spannender, da der First Round Pick an achter Stelle ist und das Team somit eine wirklich große Chance hat, einen Elite-Spieler für die Zukunft zu gewinnen.
Für die meisten ist klar, dass an achter Stelle ein Offensive Tackle geholt werden muss. Die Panthers haben dort eine schwach besetzte Position und mit Rashawn Slater oder Penei Sewell fallen dort vielleicht extrem talentierte Spieler hin.
Eine andere Herangehensweise bei der Auswahl des Prospects
Für mich als Autor ist die Entscheidung dagegen nicht ganz so eindeutig. Einerseits liegt das daran, dass mir die Strategie „Draft nach Need“ nicht gefällt. Browns GM Andrew Berry gab zuletzt ein gutes Statement dazu ab, indem er sagte, dass die Needs von heute nicht die gleichen von morgen sein werden. Diese Taktik wirkt für mich vielversprechender, denn für die Zukunft ist es wahrscheinlich wichtiger, dass ein Team auf den wichtigen Positionen gut besetzt ist und nicht nur auf den Positionen, auf denen man Jahre zuvor ein Need hatte.
Damit stellt sich aber die Frage, was die wichtigen Positionen sind. Besonders in der Offense gibt es mehrere Philosophien. Viele GMs wollen die Offense von der Line aufbauen und viele Ressourcen dort investieren.
Ich werde in diesem Kommentar ein bisschen darauf eingehen und einen Vergleich zu der Wide Receiver Position ziehen. Gerade in Bezug auf die Draftstrategie versuche ich darzustellen, wie man mithilfe analytischer Methoden zu etwas unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnte.
Einordnung mit PFF-WAR
Um den Einfluss eines einzelnen Spielers für das Team zu messen, wurden in der Vergangenheit mehrere Methoden ermittelt, um dies herauszufinden. Das Unternehmen Pro Football Focus hat genau zu diesem Thema die Metrik PFF-WAR (WAR steht für Wins above Replacement) entwickelt. Um diese zu erklären, muss man ein bisschen tiefer in das Thema eintauchen.
PFF ist damit bekannt geworden für jeden Spielzug, jeden Spieler mit einer Grade zu bewerten. Macht der Spieler ein Highlight-Play, so bekommt er die Grade +2 und bei einem absoluten Desaster im Play bekommt er die Grade -2. Bei der Benotung gibt es dazu auch Abstufungen in 0,5-er Schritten, sodass auch Grades wie -1,5 oder +0,5 möglich sind.
Mithilfe dieser Benotung kann auch ein Bezug auf den Einfluss eines Spielers genommen werden. Pro Football Focus bewertet nicht nur jeden Spieler, sondern hat auch immer das Ergebnis zu jedem Spielzug. Hat ein Spieler zum Beispiel andauernd eine +2-Benotung, doch das Team verbessert sich in diesen Spielzügen kaum bis gar nicht, wird der Einfluss dieses Spielers nicht so hoch sein wie der eines anderen Spielers.
Einen Referenzwert gibt es bei dieser Metrik auch. Stehen die ganze Zeit elf Spieler auf dem Platz, die einen PFF-WAR Wert von null haben, wird das Team am Ende der Saison im Schnitt einen Record von 3-13 haben.
Die Spieler mit dem PFF-WAR Wert von null gelten als durchschnittlich und sind austauschbar. Ein Spieler mit dem PFF-WAR Wert von 1 dagegen, würde im Schnitt allein das 3-13 Team um einen Sieg verbessern. (Die Beschreibung der Metrik ist hier sehr grob und soll lediglich zum Verständnis beitragen. Pro Football Focus hat natürlich PFF-WAR genauer erklärt)
Unterschiede zwischen OT und WR
Ich bin kein großer Fan davon, PFF-WAR wirklich ganz genau zu nehmen. Ein Spieler mit einem Wert von +2,2 hat nicht unbedingt einen größeren Einfluss als ein Spieler mit +2,1, doch gerade bei deutlicheren Unterschieden hat die Metrik eine gute Aussagekraft. Das ist besonders spannend, wenn man Spieler verschiedener Positionen vergleicht.
Gerade beim Vergleich von Offensive Tackle und Wide Receiver schrieb der „Sidelinereporter“ in seinem deutschsprachigen Blog einen spannenden Artikel. Der beste Receiver hat einen PFF-WAR Wert von circa +0,9. Der beste Tackle dagegen nur +0,4. Auch wenn man auf die nächstbesten Spieler der Position guckt, ist der Unterschied groß. Der fünftbeste Receiver hat noch einen WAR-Wert von +0,6, beim Tackle liegt dieser nur bei +0,3.
Es ist mittels PFF-WAR deutlich zu erkennen, dass die besten Receiver einen größeren Einfluss auf das Team haben als die Tackles. Doch was ist der Grund dafür?
Weshalb haben Wide Receiver größeren Einfluss?
Das Problem beim Einfluss eines Tackles besteht darin, dass er im Verbund mit anderen gut blocken muss. Die O-Line blockt als Einheit. Eine Schwachstelle kann aber schon dafür sorgen, dass der Quarterback öfter unter Druck gerät. Spielt ein guter Tackle in einer schwachen O-Line, wird diese trotzdem nicht gut abliefern. Der Einfluss des einzelnen Spielers ist dadurch nicht so groß.
Ein weiterer Punkt ist die Entwicklung des Football-Spiels. Das Passspiel wird in der NFL immer wichtiger, doch der Einfluss der O-Line ist im Laufspiel größer. Im Passspiel kontrolliert der Quarterback sehr oft selbst, wie stark er unter Druck gerät. Kann er offen werdende Routen schnell antizipieren, die Defense gut lesen und sich sicher in der Pocket bewegen, wird er weniger unter Druck stehen. Das führt dazu, dass O-Lines mit guten Pass Protection Werten nicht unbedingt dafür sorgen, dass ihr Quarterback weniger unter Druck ist als bei anderen Teams. Verantwortlich ist dafür oft der Quarterback selbst.
Ein Wide Receiver dagegen kann direkten Einfluss auf das Play des Quarterbacks haben. Läuft sich der Receiver schneller frei und ist offener, kann der Quarterback früher den Ball werfen. Auch wenn die Verbindung zwischen Receiver und Quarterback gut ist, kann der Quarterback unter Umständen früher antizipieren, wann der Receiver offen ist und auch früher den Ball werfen. Als einzelner Spieler hat der Receiver damit direkten Einfluss, dass der Quarterback weniger unter Druck steht. Auf den Draft betrachtet könnte das bedeuten, dass vielleicht Spieler wie Chase und Waddle eher dazu beitragen könnten, dass Sam Darnold weniger unter Druck stehen würde als Spieler wie Sewell oder Slater. Das klingt natürlich sehr paradox, da die O-Liner für das Blocken zuständig sind und die Receiver damit eigentlich nichts zu tun haben.
Rolle des Offensive Tackles grundsätzlich wichtig
Einen Einschub gibt es aber doch. Wir haben bisher nur die Top 30 Offensive Tackles betrachtet. Ein guter O-Linef hat vielleicht nicht so einen großen Einfluss wie ein guter Receiver, doch spielt auf OT eine absolute Graupe, kann dies zum großen Problem werden. Im Super Bowl spielten bei den Kansas City Chiefs auf Left Tackle ein Backup und auf Right Tackle ein Backup Guard. Beide Spieler waren nicht annähernd so gut wie ein Top 30 Tackle in der Liga und so wurde es für Quarterback Patrick Mahomes in diesem Spiel richtig ungemütlich.
Ist die Performance der O-Line irgendwann so schlecht, dass nicht mehr ein durchschnittliches Niveau erreicht werden kann, wird sich das auch auf das Ergebnis des Quarterbacks niederschlagen. Denn dieser kann dann selbst mit gutem Spiel zu oft unter Druck geraten. Ein schlechter Tackle hat demnach einen größeren negativen Einfluss als ein schlechter Receiver.
Ganz schlimm ist dabei natürlich die Kombination aus schlechter Pass Protection und schlechtem Quarterback. 2019 hatten die Panthers auf Left Tackle mit Darryl Williams und Greg Little zwei Spieler, die in dieser Saison nicht gut in Pass Protection waren. Auf der Quarterback-Position musste der junge Kyle Allen eingesetzt werden, woraufhin später sogar der noch schlechter aufspielende Will Grier zum Einsatz kam. Offensiv war die Saison gerade im Passing Game eine absolute Katastrophe. Die Panthers ließen natürlich mit dieser Kombination auch die meisten Sacks der Liga zu.
Insgesamt sollte das aber auch nicht zu einer Überreaktion führen. Eine schlechte Line sollte auf jeden Fall verbessert werden. Allerdings ist es nicht unbedingt notwendig gleich alle Ressourcen dafür auszugeben, eine der besten O-Lines zu kriegen. Denn wenn der Quarterback gut genug ist, ist der Einfluss zwischen einer überdurchschnittlichen und einer Elite O-Line nicht so groß wie viele vermuten würden.
Was spricht für einen OT?
Aufgrund der Ergebnisse mit PFF-WAR war für mich bei meinen Mock Drafts die Wahl zunächst recht klar. Mit dem achten Pick möchte ein Team einen besonderen Spieler haben, der über Jahre hinweg einen großen Einfluss hat. Da dieser bei einem Receiver in der Regel vielversprechender wäre, entschied ich mich für diese Position. Beim Fan-Mock der Dolphins fiel die Wahl auf Waddle, obwohl Sewell noch auf dem Board war. Auch beim Mock Draft 2.0 für den German Riot entschied ich mich für den Receiver von Alabama, obwohl ich die Chance hatte, Rashawn Slater zu picken. Eigentlich alles richtig gemacht, oder?
Ganz so einfach ist die Entscheidung dann doch nicht. Die Position des Offensive Tackles ist vielleicht nicht so einflussreich wie die der Receiver, doch trotzdem gehört sie zu den wichtigsten im Spiel. Die Trefferquote im Draft ist dabei sehr unterschiedlich. Tackles aus der ersten Runde werden oftmals über ihren Rookie Deal hinaus noch vom Team verlängert oder haben generell eher eine gute NFL-Karriere. Spieler aus späteren Runden dagegen sind nicht ganz so oft erfolgreich.
So stark ist der Unterschied bei den Receivern nicht, denn dort haben auch Spieler in den späteren Runden oftmals eine gute Karriere. Der Dropoff dort zwischen den Runden ist nicht ganz so stark.
Ein weiteres Problem ist der negative Einfluss eines Offensive Tackle. Ist der Spieler wirklich nicht NFL-tauglich und muss aber starten, kann das große Ausmaße auf die gesamte Offense haben. In diesem Draft haben die Panthers vielleicht die Chance, langfristig die Dienste von Penei Sewell oder Rashawn Slater zu sichern. Falls diese Spieler wirklich erfolgreich werden würden, hätten die Panthers langfristig eine Position in der O-Line stark besetzt und würden weniger in die Bredouille geraten, dort einen schwachen Spot in der Line zu haben (es kann natürlich auch zu Verletzungen kommen, wie zum Beispiel bei Mitchell Schwartz von den Kansas City Chiefs in der letzten Saison).
Sewell gewann bereits mit 19 Jahren die Outland Trophy und gilt als eines der größten Talente der letzten Jahre. Auf so einen Spieler zu verzichten und dafür einen Receiver zu wählen, der nicht mit so einer großen Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde, wäre sicherlich auch riskanter.
Fazit
Insgesamt würde ich als GM wohl immer noch bei meiner Wahl bleiben und früh einen Wide Receiver nehmen. An acht haben die Panthers fast die komplette Auswahl an Top Talenten (sofern sie dort bleiben). Falls sie den richtigen Spieler finden würden, wäre das gerade auf langer Sicht sehr hilfreich. Trotzdem bin ich aber auch sehr angetan von Penei Sewell oder Rashawn Slater. Beide sind tolle Talente und sie würden eine gewisse Sicherheit geben, wenngleich es auch bei beiden Fragezeichen gibt, ob sie auf Guard rutschen müssten.
Wahrscheinlich werden sich die Panthers mit ihrem ersten Pick auf Tackle verstärken. GM Scott Fitterer hat einen großen Scouting Hintergrund und war unter anderem am Aufbau der Legion of Boom in Seattle beteiligt. Er wird bestimmt eher in klassische Scouting Methoden interessiert sein und sich kaum mit Metriken wie PFF-WAR beschäftigen. Unabhängig davon, dass die Panthers Kunden bei Pro Football Focus sind. Auf den ersten Pressekonferenzen der Panthers mit Fitterer und Rhule wurde auch schon über den Kader gesprochen und GM wie auch Coach waren sich dort einig, dass die O-Line eine sehr hohe Priorität hat in der Kaderplanung.
Quelle: pff.com sidelinereporter.wordpress.com
Bildquelle: bengalswire.usatoday.com tdalabamamag.com si.com
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